Pressemitteilung: Vorgänge im Vorfeld zur und in der Gemeinderatssitzung am 23.11.2021

In der Sitzung des Gemeinderats Neckargemünd am 23.11.2021 sollte über – als
Tagesordnungspunkte 7 und 8 – einen Bebauungsplan für die Entwicklung des Weilers
Rainbach und eine Veränderungssperre für dieses Gebiet beraten werden. In der Sitzung
zuvor gab es für einen Antrag der Fraktion Freie Wähler, die Verwaltung zu beauftragen,
diese beiden Beschlussvorschläge zu erarbeiten, eine überwiegende Mehrheit. Neben den Freien Wählern hatte sich auch die Bürgerinitiative „Achtung! Rainbach und Neckartal“, die den Bürgerentscheid über den Aufstellungsbeschluss für das Areal der Gaststätte „Zur Rainbach“ initiierte und mit ebenfalls großer Mehrheit gewann, für einen eigenen Bebauungsplan der Stadt für den ganzen Weiler ausgesprochen, ebenso wie die SPD-Fraktion und ich als Stadtrat der LINKEN Neckargemünd.

Ein erster Augenblick der Verwirrung entstand für mich, als in der Bürgerfragestunde nach
den nichtöffentlichen Gesprächen zwischen Teilen des Gemeinderats, der Stadtverwaltung, dem Bürgermeister und dem Grundstückseigentümer der ehemaligen
Gaststätte im Vorfeld zur Sitzung gefragt wurde. Eine Gesprächsrunde, zu der ich nicht
nur nicht eingeladen wurde, ich habe weder im Vorfeld von ihrem Stattfinden, noch im Nachhinein von Inhalt oder Ergebnissen erfahren. Gleiches gilt wohl für Herrn Stadtrat
Fritsch, der in der Sitzung am 23.11.2021 jedoch entschuldigt nicht anwesend sein konnte. Zu den Ergebnissen wurde vom Bürgermeister auf eine gemeinsame Pressemitteilung von Grundstückseigentümer, Stadtverwaltung und des „gesamten Gemeinderats“ verwiesen, die leider noch nicht herausgegeben wurde, weil der Eigentümer inhaltliche Bedenken gehabt habe.
Im Anschluss an die Vorlage und Kenntnisnahme des Protokolls der Oktober-Sitzung
beantragten die Fraktionen der CDU und der Grünen, die Tagesordnungspunkte 7 und 8
zu vertagen, und begründeten dies mit ebenjenen Gesprächen, die gute Ergebnisse
gebracht hätten. Der Antrag wurde mit Stimmen dieser beiden Fraktionen und des
Bürgermeisters angenommen, obwohl die inhaltliche Grundlage mit mir mindestens einem
Stadtrat nach wie vor völlig unbekannt war. Dagegen stimmten Freie Wähler, SPD und ich. Aus einem privaten Gespräch ging hervor, dass die Ergebnisse der nichtöffentlichen
Gespräche wohl auch anderen Stadträten gegenüber nur äußerst vage kommuniziert
wurden.

DIE LINKE Neckargemünd und ich sind ob dieses taktischen Manövers nach wie vor
schockiert. Eine gewichtige Entscheidung über die städtebauliche Entwicklung unserer
Stadt auf einer Grundlage, die Teilen des Gemeinderats nicht oder nicht ausreichend
bekannt ist, zu treffen, und durch den Zeitpunkt des Antrags auf Vertagung jegliche
Debatte zu diesen Tagesordnungspunkten zu verhindern, ist aus unserer Sicht
undemokratisch und eines Gremiums, das mir bislang kollegial, produktiv und
sachorientiert erschien, nicht würdig.
Sollte die Pressemitteilung, von der gesprochen wurde, noch veröffentlicht werden, dann
erfolgt dies nicht im Namen des gesamten Gemeinderats – denn zumindest ich habe bis
heute keinerlei Kenntnis von ihrem Inhalt.
An der Entwicklung Rainbachs durch Bauleitpläne besteht – man muss sich bloß die hohe
Abstimmungsbeteiligung am Bürgerentscheid anschauen – großes öffentliches Interesse.
Dafür, dass diese bis jetzt ausschließlich mit dem Grundstückseigentümer nichtöffentlich
besprochen wurde, fehlt uns als LINKE jedes Verständnis. Zwar zielte der Bürgerentscheid, wie argumentiert wurde, nicht auf die Aufstellung eines regulären
Bebauungsplans für Rainbach. Trotzdem wurde von der Bürgerinitiative immer wieder
geäußert, dass die Kommune das Heft wieder selbst in die Hand nehmen und einen
positiven Entwurf für die städtebauliche Entwicklung des Weilers erarbeiten solle. Eine
geplante Entwicklung des Weilers – im Sinne seiner Einwohner – ist der klare Auftrag der
Bürgerinitiative, wenn auch nicht des Bürgerentscheids. Und als demokratisch gewählter
Gemeinderat vertreten wir doch gerade die Bürger! Da stellt sich die Frage, ob einige
Fraktionen potentiellen Investoren näher stehen als ihrer Einwohnerschaft. Die Vertagung wurde auch damit gerechtfertigt, dass es ja keine Ablehnung sei, und man
den Plan und die Veränderungssperre in späterer Sitzung noch beschließen könne. Man
„hoffe“, so aus den Reihen der Fraktion der Grünen, der Grundstückseigentümer ziehe
den Bauantrag für den umstrittensten Teil der Neubebauung des Areals der ehemaligen
Gaststätte zurück. Eine Entscheidung mit der „Hoffnung“ über eine Rücknahme durch den
Investor zu begründen, ist abenteuerlich. Als Tagesordnungspunkt 9 wurde in gleicher
Sitzung das gemeindliche Einvernehmen zu diesem Antrag abgelehnt. Letztlich ist jedoch
das Landratsamt für die Genehmigung zuständig, bei dem das Verfahren nach Herrn
Bürgermeister Volk auf Antrag des Eigentümers ruhe. Das „Ruhen des Verfahrens“ hat
keine gesetzliche Grundlage und ist immer von der Zustimmung beider Parteien abhängig.
Die Konsequenz aus dieser Schwebelage ist nun, dass das Verfahren fortgesetzt wird,
wenn der Eigentümer dies vom Landratsamt verlangt. In der Konsequenz bedeutet das
nun, dass die Stadt Neckargemünd, sollte das Verfahren fortgesetzt werden und das
Landratsamt eine andere Auffassung bezüglich des „Einfügens in die
Umgebungsbebauung“ haben, die Entwicklung des Weilers zumindest für diesen
prägenden Teil nicht mehr mitgestalten kann. Bereits genehmigte bauliche Anlagen fallen
nicht mehr unter eine später beschlossene Veränderungssperre. Damit wurde – bewusst
oder fahrlässig – die Stellung unserer Stadt im Verfahren deutlich geschwächt.

Das Vorgehen von Teilen des Gemeinderats und vom Bürgermeister ist aus unserer Sicht
zudem kommunalrechtswidrig. Die Besprechung verletzte – da die Grundlage für die
Willensbildung der Gemeinderäte nicht zumindest in Grundzügen in der Begründung des
Vertagungsantrags öffentlich besprochen wurde – den Öffentlichkeitsgrundsatz der
Gemeindeordnung. Dass ich und Herr Stadtrat Fritsch keinerlei Einfluss auf die
nichtöffentlichen Gespräche hatten (was auch ohne Einladung bei Information im Vorfeld
möglich gewesen wäre) und keine Debatte stattfand stellt eine Verletzung unserer
Mitwirkungsrechte als Gemeinde- bzw. Stadträte dar. Zu diesen Mitwirkungsrechten
gehören auch Informationsrechte, die – da uns jegliche Information über den Inhalt der 
Gespräche vorenthalten wurde – ebenfalls verletzt sind. Auch weitere
Verfahrensgrundsätze der Gemeindeordnung sind aus meiner Sicht verletzt, so wurde –
sei es aus Unwissenheit oder auf Aufforderung – der Gesprächsinhalt behandelt, als wäre
er in nichtöffentlicher Sitzung unter Verschwiegenheitspflicht besprochen worden, zu der
dann aber nicht gesetzeskonform eingeladen wurde. Dass der ursprüngliche Antrag der
Freien Wähler vom 26.11.2021 und der darauf folgende Beschluss des Gemeinderats de
facto außer Kraft gesetzt wurden, kann ebenfalls eine Verletzung gesetzlicher
Verfahrensregeln darstellen.

Für DIE LINKE Neckargemünd, DIE LINKE Kraichgau-Neckar-Odenwald und für mich als
Stadtrat ist dieses Manöver den Bürgern und eigenen Gremienmitgliedern gegenüber nicht
zu rechtfertigen, unabhängig von den Ergebnissen der Gespräche. Die Position der Stadt
Neckargemünd wurde bewusst oder fahrlässig in Gefahr gebracht, über Landesrecht hat
man sich hinweggesetzt, Bürger und Räte lässt man im Dunkel stehen.

Wegen der Verletzung der Gemeindeordnung, insbesondere meiner Informations-Mitwirkungsrechte als Stadtrat, und da aus meiner Sicht wegen ähnlicher Vorgänge in der
Vergangenheit – etwa wegen der ersten, ebenfalls nichtöffentlichen Vorstellung der Pläne
für die Neubebauung des Areals der ehemaligen Gaststätte – Wiederholungsgefahr
besteht, habe ich mit Schriftsatz vom 25.11.2021 im Rahmen eines
Kommunalverfassungsstreits beim Verwaltungsgericht Karlsruhe beantragt, die
Rechtswidrigkeit dieser Vorgänge festzustellen. Dabei haben mir Orts- und Kreisverband
meiner Partei DIE LINKE volle Unterstützung und Solidarität zugesagt.

Gez.:
Stadtrat Marco La Licata
Ortssprecherin Anja Lorenz für DIE LINKE Neckargemünd
Mitglied des Kreisvorstands Till Hargina für DIE LINKE Kraichgau-Neckar-Odenwald