Pressemitteilung: Quo vadis, Rainbach?

Das Wohl der Stadt, Ziel jedes kommunalen Engagements, umfasst viele, zum Teil gegenläufige Interessen, die möglichst in Ausgleich gebracht werden müssen. Durch das nun mit mehr als doppelt so vielen Stimmen wie benötigt bei der Stadtverwaltung eingegangene Bürgerbegehren befinden wir uns in einem landesrechtlich vorgegebenen Verfahren, das mehrere mögliche Ausgänge zulässt. In Abstimmung mit dem Kreisverbandund dem Ortsverband Neckargemünd meiner Partei DIE LINKE haben wir uns für ein Vorgehen des bestmöglichen Ausgleichs innerhalb dieses Verfahrens entscheiden.

Meine anfängliche Zustimmung zum Planaufstellungsbeschluss lag vor allem im langen Leerstand der Gebäude im Plangebiet begründet. Es darf kein zweiter Kümmelbacher Hof in Rainbach entstehen. Das Konzept des Investors, die zur Onigkeit-Gruppe gehörende RED GmbH, scheint mir wirtschaftlich sinnvoll und ist aus meiner Sicht architektonisch ansprechend. Das Projekt stellt aber, was mir von Beginn an bewusst war und was ich auch immer wieder erwähnte, eine enorme Veränderung des Gebietscharakters dar. Ich habe mich deshalb von Anfang an dafür ausgesprochen, die Anwohner und Bürger Neckargemünds über die im Bebauungsplanverfahren vorgesehene Öffentlichkeitsbeteiligung hinaus noch mehr einzubinden. Das habe ich auch einem mit der Planung unzufriedenen Anwohner und späterem Initiator des Bürgerbegehrens per Mail mitgeteilt. Leider gab es in unserer Kommunikation offensichtlich Missverständnisse, so veröffentlichte die Rhein-Neckar-Zeitung am 02.03.2021 einen Leserbrief, nach dem „nur SPD und Freie Wähler für Bürgerbeteiligung“ seien. Trotzdem hat mich die Bürgerinitiative gefreut, da ein entsprechendes Großprojekt mit solcher Wirkung direktdemokratisch legitimiert oder gestoppt werden sollte, wenn das Interesse der Öffentlichkeit entsprechend groß ist. Mit der Eigeninitiative der Bürger wurden die angebotenen weiteren Bemühungen um stärkere Bürgerbeteiligung durch mich obsolet.

Das nun in Gang gesetzte Verfahren kann auf mehrere Weisen seinen Ausgang finden, die alle für die Stadt (Verwaltung wie gewählte Organe), Bürgerschaft und Investor unterschiedliche Vor- und Nachteile haben. Wenn der Gemeinderat nicht die im Bürgerbegehren geforderte Maßnahme ergreift (den Planaufstellungsbeschluss zurücknimmt), muss ein Bürgerentscheid stattfinden. Dieser ist für die Stadt mit Kosten und Aufwand verbunden, jedoch auch die demokratischste Art der Entscheidungsfindung. Hätte er keinen Erfolg, könnte das Projekt umgesetzt werden, wobei Stadt und Bürger auf den Plan nach wie vor Einfluss nehmen könnten. Es würden auch keine Kosten und Aufwand für eine neue Planung entstehen. Allerdings könnten in der Zwischenzeit, wie wohl schon geschehen („Bei der ‚Rainbach‘ sind die Bagger zugange“, rnz.de vom 29.01.21, zuletzt aufgerufen 17.05.21), mit genehmigungsfreien oder nach §§ 34, 33 BauGB genehmigungspflichtigen baulichen Maßnahmen durch den Investor Tatsachen geschaffen werden. Diese könnten auch nicht durch eine Veränderungssperre, wie sie die Fraktion der Freien Wähler beantragt hat, verhindert werden, weil diese nach ganz herrschender Meinung bei vorhabenbezogenen Bebauungsplänen immer unzulässig ist. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Bürgerentscheid Erfolg hätte. Damit wäre zwar das konkrete Projekt verhindert, das Gebiet bliebe aber unbeplant und es könnte zum Beispiel hochpreisige Wohnbebauung nach § 34 BauGB zugelassen werden müssen. Durch die Sperre des § 21 VIII 2 GemO wäre eine andere Planung erschwert. Zwar hat der VGH Mannheim im Bezug auf Bauanträge entschieden, dass die Sperre nur für gleiche oder nurim Detail veränderte Bauvorhaben gilt (NVwZ-RR 2015, 149), jedoch noch nicht im Bezug auf Pläne. Die Stadt könnte zwar neu planen, aber würde sich damit in Gefahr begeben, einen teuren und aufwändigen Rechtsstreit führen zu müssen. Eine für Stadt und Ortsteil positive gewerbliche Nutzung würde voraussichtlich entfallen.

Nimmt der Gemeinderat den Beschluss selbst zurück, erspart er der Stadt Kosten und Aufwand eines Bürgerentscheids. Er kann entscheiden, ob er das Gebiet unbeplant lassenwill, was die oben genannten Nachteile nach sich zöge. Die Stadt hätte kaum Zugriff auf die Gebietsentwicklung, genauso wie die Bürger mit Ausnahme der Angrenzer. Dafür fielendie Kosten und der Aufwand für die Planaufstellung weg. Ob der Investor den erneuten finanziellen und zeitlichen Aufwand durch einen neuen vorhabenbezogenen Plan auf sich nehmen will, ist mehr als fraglich, wobei dann die Nachteile im aktuellen Verfahren für Stadt und Bürger ohnehin bestehen blieben. Nimmt der Gemeinderat den Beschluss aber zurück und beschließt die Aufstellung eines regulären, qualifizierten Bebauungsplans, entstünden der Stadt zwar Kosten für die Planung, diejenigen für den Bürgerentscheid fielen jedoch weg. Durch die enorme Zustimmung zum Bürgerbegehren wäre dieser
Beschluss auch der, der die Bevölkerungsmehrheit repräsentiert. Die Stadt hätte die Planung selbst vollständig in der Hand und könnte sowohl die Bürgerschaft als auch den Investor in diese einbinden. Mit einer Veränderungssperre könnte dann auch verhindert werden, dass vor Satzungsbeschluss Tatsachen geschaffen werden. Ein potenzieller Rechtsstreit und, falls dieser verloren würde, ein zweiter Bürgerentscheid über eine neue Planung, fielen ebenfalls weg. Die Stadt könnte damit auch eine über den Rahmen des §34 BauGB hinausgehende, wirtschaftlich sinnvolle gewerbliche Nutzung des Plangebietsermöglichen.

DIE LINKE Kraichgau-Neckar-Odenwald, ihr Ortsverband Neckargemünd sowie ich als Stadtrat sprechen uns deshalb dafür aus, im Gemeinderat den Planaufstellungsbeschluss aufzuheben und einen eigenen Bebauungsplan in enger Abstimmung mit der Bürgerschaftund dem Investor aufzustellen. Nur auf diesem Weg können wir alle, auch gegenläufigen Interessen, angemessen berücksichtigen und die Stadtentwicklung Neckargemünds gemeinsam positiv gestalten.

Gez.:Stadtrat Marco La Licata

Anja Lorenz (Ortssprecherin DIE LINKE Neckargemünd)

Till Hargina (für den Kreisvorstand DIE LINKE Kraichgau-Neckar-Odenwald)