Kein Landesverrat! Den Angriff auf die Pressefreiheit abwehren

04. August 2015  Meldungen
Von Halina Wawzyniak, linksfraktion.de

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Es ist ein grundlegendes rechtsstaatliches Prinzip, von staatlichen Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen ausgenommen zu sein, soweit keine Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegen. Dieses Prinzip ist schon eine Weile durchlöchert. Konkret zeigt sich das derzeit an einem Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwaltes gegen die Blogger von Netzpolitik.org wegen Landesverrat nach § 94 StGB. Aus meiner bescheidenen Sicht hätte der Generalbundesanwalt die Erforschung des Sachverhalts nach § 160 StPO in wenigen Stunden abschließen und das Verfahren wegen Absurdität des Vorwurfes einstellen können.

Der § 94 Abs. 1 StGB besagt: „Wer ein Staatsgeheimnis 1. einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner mitteilt oder 2. sonst an einen Unbefugten gelangen lässt oder öffentlich bekanntmacht, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.“

Da hier gegen Blogger ermittelt wird, kann es nur um die Nummer 2 gehen. Danach muss zunächst ein Staatsgeheimnis vorliegen. Dieses wird dankenswerterweise in § 93 StGB definiert. Die Tatsachen, um die es geht, dürfen nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sein und der „Zugang zum Geheimnis muss in einer Weise kontrolliert, überwacht und damit begrenzt werden, die geeignet erscheint, ein allgemeines Bekanntwerden des geheim zu haltenden Inhalts zu verhindern“ (vgl. Münchener Kommentar, StGB, § 93, Rdn. 7).

Soweit so gut. Nun muss aber diese Geheimhaltungsbedürftigkeit zum Schutz der äußeren Sicherheit bestehen. Darunter sollen alle Umstände fallen, die die äußere Machtstellung der Bundesrepublik nachteilig berühren (vgl. Münchener Kommentar, StGB, § 93, Rdn. 17). Genau jetzt wird es spannend, denn die Frage ist ja, ob dies durch die Veröffentlichungen der Fall ist. Na klar, werden einige sagen, es geht ja um den Verfassungsschutz. Doch denkste: „Die nachrichtendienstliche Abwehr betrifft grundsätzliche die äußere Sicherheit. Gleichwohl kann auf eine Prüfung im konkreten Fall nicht verzichtet werden, weil nicht jede Erkenntnis über Strukturen und Arbeitsweisen der Dienste, die zur Gewährleistung ihrer Funktionsfähigkeit geheim gehalten werden muss, ohne weiteres bereits die äußere Sicherheit Deutschlands betrifft.“ (Münchener Kommentar, StGB, § 93, Rdn. 20).

Ich denke, das ist hier nicht gegeben. Aber selbst wenn Menschen das anders sehen: Spätestens beim Vorsatz ist Ende. Denn das „um“ ist nicht gegeben. Niemand wird ernsthaft behaupten wollen, die Veröffentlichungen seien geschehen, um „die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen.“ Das ganze Verfahren hätte nach meiner Einschätzung binnen Stunden wegen Absurdität eingestellt werden können.

Was ist nun Aufgabe der Politik? Sie kann Rücktritte fordern. Sie kann Weisungen des Bundesjustizministers fordern. Aber ist das alles klug? Ich denke nein. An Bundesjustizminister Maas ist so einiges zu kritisieren. Zu denken wäre an seinen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung. Zu denken wäre an des Gesetz zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten. Zu denken wäre daran, dass er es regelmäßig unterlässt, dem Bundesinnenminister entgegenzutreten, wenn dieser weiter die Freiheit einschränken will.

Natürlich gibt es nach der derzeitigen Gesetzeslage (§§ 146, 147 GVG) die Möglichkeit das Weisungsrecht gegenüber dem Generalbundesanwalt. Aber wegen der Unabhängigkeit der Justiz ist es klug, davon keinen Gebrauch zu machen. Ich jedenfalls möchte nicht, dass ein Minister oder eine Ministerin einem Staatsanwalt oder einer Staatsanwältin vorschreibt, ob ermittelt, angeklagt oder einstellt wird. Denn wenn es in einem Fall erlaubt wäre, müsste es in einem anderen auch hingenommen werden.

Nehmen wir mal an, ein Generalbundesanwalt hätte Ermittlungen wegen der NSA-Spionage aufnehmen wollen und dann wäre ein Bundesjustizminister gekommen und hätte gesagt, er erteilt die Weisung das Ermittlungsverfahren einzustellen. Das Unverständnis und die Aufregung wären verständlicherweise sehr groß. Wenn angefangen wird, auf Grund politischer Mehrheiten und politischer Opportunitäten Einfluss auf staatsanwaltliches Handeln zu nehmen, dann gefährdet das am Ende die Unabhängigkeit der Justiz und ist gefährlich im Hinblick auf die Gewaltenteilung.

Die Aufgabe von Politik wäre, aus dem Vorfall Schlussfolgerungen zu ziehen:

  1. Aus dem Straftatbestand des Landesverrats müssen Journalisten/innen ausgenommen werden.
  2. Ein umfassender Whistleblowerschutz muss eingeführt werden. Wer auf Missstände aufmerksam macht darf weder arbeitsrechtliche Konsequenzen noch strafrechtliche Maßnahmen befürchten.
  3. Die Klarstellung, dass Blogger unter den Zeugenschutz des § 53 StPO fallen, vorgenommen von Justizminister Maas und Generalbundesanwalt Range in ihren Erklärungen, muss in Gesetzesform gegossen werden.
  4. Die politische Einflussnahme auf den Generalbundesanwalt im Hinblick darauf, ob er ein Ermittlungsverfahren einleitet, eine Anklage erhebt oder ein Ermittlungsverfahren einstellt, muss gesetzlich ausgeschlossen werden. Dazu wird es auch erforderlich sein, die Stellung des Generalbundesanwaltes als politischen Beamten zu beenden.
  5. Der  Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung ist abzulehnen. Insbesondere der geplante Straftatbestand der Datenhehlerei in § 202d StGB darf so nicht beschlossen werden.